Abschied vom Trainer: Selbst der Himmel weint

Aachen. «Sonderfahrt» steht auf dem Bus. Eher eine Standardauszeichnung für den Wagen, die jetzt aber den Charakter der Stunde haargenau trifft. Denn eine halbe Stunde später nehmen Trauergäste Platz, auf dem Weg vom Tivoli zum Dom. Gedenkfeier für Werner Fuchs, den vor einer Woche gestorbenen Trainer von Alemannia Aachen.

Fangruppen stehen vor der Geschäftsstelle, die am Nachmittag zum Anlaufpunkt für Fußball-Prominenz wird: Hans-Peter Briegel, Karl-Heinz Thielen, Uwe Rahn, Hans-Werner Moors, Hannes Bongartz und viele mehr. Die Meister-Mannschaft wartet auf die Abfahrt, allein in einer Ecke steht gedankenversunken Stephan Lämmermann, der in Erkenschwick sein 2:0 eindrucksvoll dem Trainer widmete und dann den Fans in angemessenem Rahmen die Möglichkeit zum Jubel bot.

Alle anderen stehen in Gruppen zusammen, unterhalten sich über ganz banale Dinge - oder über die unfaßbare Tragödie vom vergangenen Dienstag. Die Schlachtenbummler haben einen Trauerzug organisiert, der sich kurz nach 15 Uhr wortlos in Richtung Innenstadt in Bewegung setzt. Selbst der Himmel weint. Nahezu 300 Trauernde schreiten die Krefelder Straße hinauf, die ersten tragen das schwarze Banner, das schon beim Meisterspiel in Erkenschwick die Gedanken der Anhänger wiedergab: «Werner» steht darauf in weißen Lettern.

Das Entsetzen ist von vielen Gesichtern gewichen, jetzt will man dem Meistermacher den ihm gebührenden Respekt erweisen. «Mama, was ist hier?», fragt ein kleines Mädchen. Die Antwort der Mutter umfaßt zwei Worte: «Der Trainer . . .»

Gegen 15.40 Uhr kommt der Trauerzug auf dem Markt an, ein kurzer Blick wandert hinüber zum Fuchs-Porträt an der Rathaus-Fassade. Vor dem Dom steht die Videowand, über die die Gedenkmesse aus dem Dom übertragen wird. Am Altar sind einige Spieler zu erkennen. Sie stehen ein letztes Mal bei ihrem Trainer, der dort im Sarg aufgebahrt ist. Monika und Marko Fuchs sitzen davor. Die Mutter und der Sohn, Hand in Hand.

Ungefähr 4000 Menschen harren im Bann der Gefühlsturbulenzen der vergangenen Tage. Eine bunt gemischte Gesellschaft: kleine Jungen, Fans, Menschen, die noch die Arbeitskleidung von der letzten Schicht tragen, andere mit Akten- oder Einkaufstaschen.

Und es sind nicht nur viele Prominente, die gedankenversunken im Dom sitzen. Rund ums Oktogon stehen Anhänger mit Schals, einige im Trainingsanzug. Manchem scheint der Ort fremd, doch die hier gesprochenen Worte klingen vertraut: Alemannia, Werner Fuchs. Eine Stadt trauert.

Die Domuhr schlägt 16.45 Uhr, als auf der Videowand ergreifende Bilder zu sehen sind: Die Mutter von Werner Fuchs am Sarg, gestützt von Sohn Fritz und Enkel Uwe. Vielen schießt jetzt das Wasser in die Augen, Männern und Frauen jeden Alters.

Sie alle können später ihre Trauer ausleben und dem Toten die letzte Ehre am Sarg erweisen. Der Dom wird für die Wartenden geöffnet. Auf der Rennbahn bildet sich eine gewaltige Warteschlange, doch niemand drängelt oder redet. Über der Innenstadt liegt eine ungewöhnliche Ruhe. Aachen hat Abschied genommen.

(hpl/pa), 18.05.1999 19:13