Werner Fuchs: Sachkompetenz und Beharrlichkeit statt Selbstdarstellung

Aachen. Freitag, 7. Mai 1999, der letzte Spieltag im Leben des Fußballtrainers Werner Fuchs. Am Morgen sucht er den Ball für das vorentscheidende Match seiner Alemannia gegen Preußen Münster aus, pumpt ihn selber auf, um der Lederkugel schließlich einen Glückskuß zu geben.

Gefühlsmensch Fuchs im abgezockten Fußballgeschäft. Nach dem Schlußpfiff am Abend bricht es aus ihm heraus, mit Tränen in den Augen läuft er aufs Spielfeld, umarmt seine Jungs und brüllt im Tohuwabohu der 20 400 jubelnden Fans mehrmals denselben Satz in die Mikrophone der Journalisten: «Eine unvorstellbare Last ist mir vom Herzen gefallen, ich bin befreit von einem Druck, der noch nie so groß war.»

Das Herz des Werner Fuchs, das so urplötzlich zu schlagen aufhörte - es hatte auch jene in den Bann der Alemannia gezogen, die dem Fußball nicht unbedingt so nahestehen. In einer Branche, die immer stärker von mediengestylten Selbstdarstellern geprägt wird, entwickelte der geborene Pfälzer sein Profil wider den Zeitgeist: Auch im Erfolgsfall unirritierbare Bodenständigkeit und Bescheidenheit, kaum zu erschütternde Sachkompetenz und genaue, zielorientierte Beständigkeit, das waren die Tugenden, die Werner Fuchs wichtig waren - und ihm Erfolg und Zufriedenheit brachten. Beruflich und privat.

Mit Ehefrau Monika und Sohn Marco verläßt er eine intakte Familie, die er konsequent vor den Publicity-Folgen seines öffentlichen Jobs abschirmte. Typisch die Antwort im AZ-Fragebogen auf die Frage nach seiner Lebensphilosophie: «Mich nicht zu wichtig zu nehmen.»

Den Job, den machte Werner Fuchs in letzter Zeit so umfassend wie nie zuvor. Auch jenseits des Spielfeldes hatte der Coach die Fäden in der Hand. Über ihn und seinen Bruder Fritz Fuchs liefen die Drähte zum neuen Großsponsor «Kinowelt». Hand in Hand mit dem Präsidium entwickelte er neue Strukturen in der Nachwuchsarbeit, niemand am Tivoli traf seit langer Zeit Absprachen ohne den Zusatz: «Aber das müssen wir erst noch einmal mit dem Trainer abklären.»

Gleichzeitig verstand es Fuchs mit viel psychologischem Geschick, das Wichtigste im Verein voranzutreiben, zusammenzuhalten und zu motivieren: seine Mannschaft. Typisch für einen wie ihn, daß er die Spieler in der Euphorie der letzten Wochen eher bremste, als sie in Glücksgefühlen taumeln zu lassen: «Denkt nur an das nächste Spiel», war seine unerschütterliche Prämisse - mit der er bei neun Siegen in Folge den Alemannia-Rekord aus der Spielzeit 1956/57 einstellte.

Wer seinen - gesunden - Ehrgeiz kannte, der weiß: Er hätte die Bestmarke von zehn Siegen und damit den seit neun Jahren im Fußball-Aachen heiß ersehnten Aufstieg so gerne erreicht. Es wäre der Höhepunkt seines sportlichen Wirkens gewesen.

Ebenso versagt blieb ihm, das Glück der letzten Wochen mit zwei seiner besten Freunde zu teilen, die ihm in jüngster Zeit vorangegangen sind: Mittelrhein-Tennisvorsitzender Dieter Schulte und der ehemalige Alemannia-Schatzmeister Wilhelm Stein begleiteten ihn nicht nur am Tivoli, sondern in der kargen Freizeit auch zuweilen im Skat- und Tennisspiel.

Am 25. Oktober letzten Jahres wurde Werner Fuchs 50 Jahre alt. Mit Mutter Lieselotte aus Kaiserslautern, der ganzen Familie und vielen Freunden feierte er in der «Alten Mühle» in Bardenberg. Wie er zu dem Ehrentag stehe, wurde Werner Fuchs da gefragt. Seine Antwort hören wir heute mit anderen Ohren: «Man muß die Feste feiern, wie sie fallen. Oft passiert's, wenn man gar nicht damit rechnet.»

Manfred Kutsch, 18.05.1999 06:49